Research in progress
Die erste Station des Ausstellungs- und Forschungsprojektes „1929/1955. Die erste documenta und das Vergessen einer Künstler:innengeneration“ war vom 6. Mai 2022 bis zum 11. September 2022 das Museum für verfolgte Künste in Solingen.

Die breite Resonanz in den Medien bestätigte, was die vielen Besucher:innen der Ausstellung zurückmeldeten: das dargestellte Forschungsprojekt behandelt anschaulich die hochaktuelle Frage nach den Auswahlprozessen in Ausstellungen und Museen. Allein der Ausstellungskatalog fehlte vielen. Doch da wir uns in einem laufenden Forschungsprozess befinden, werden wir den Katalog erst 2024, mit der letzten Station der Ausstellung vorlegen. Am 1. Dezember 2022 diskutieren wir über das Projekt und die bisherigen Forschungsergebnisse im MOCAK Museum für Gegenwartskunst Krakau und 2023/2024 wird die Ausstellung – sicherlich um einige Erkenntnisse reicher – in Kassel gezeigt werden können. Research in progress!

6. Mai 2022 --
11. September 2022
Zentrum für verfolgte
Künste Solingen

Oktober 2022 -- Februar 2023
Museum für Moderne Kunst Krakau MOCAK

2023 – Kassel

1929/1955

Die erste documenta
und das Vergessen einer
Künstler: innengeneration

Ein gemeinsames Forschungs- und Ausstellungsprojekt des Zentrums für verfolgte Künste mit dem documenta archiv Kassel. Beide Institutionen schauen parallel zur documenta 15 im Jahr 2022 kritisch-reflektierend zurück auf die Anfänge der Großausstellung.

Manche Künstler:innen schaffen es. Sie werden bekannt, Museen sammeln ihre Werke und halten die Erinnerung an sie wach. Einige Künstler:innen sind nur für kurze Zeit öffentlich präsent, andere nie. Die Auswahl derer, die bleiben, wird u.a. durch Museen, den Kunstmarkt, durch Galerien, Sammler:innen und die Kunstgeschichtsschreibung mitbestimmt. Ihr Zusammenwirken prägt den kunsthistorischen Kanon.

Einen schwerwiegenden Bruch bedeutete für viele Künstler:innen die Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie nach 1933. Deutschland wurde eine Diktatur, verantwortlich für Millionen Tote, den Zweiten Weltkrieg und die Shoah. Das NS-Regime verfolgte zahlreiche Künstler:innen, beschlagnahmte ihre Werke in deutschen Museen und zeigte sie ab 1937 auf der Femeausstellung Entartete Kunst. Gerade die Künstler:innen, die 1933 um 30 Jahre alt waren und begannen, sich zu etablieren, traf diese Verfolgung hart, denn selbst nach 1945 konnten viele nicht mehr an ihre früheren Erfolge anknüpfen.

Fotografie des Zentrums für verfolgte Künste, Solingen
Zentrum für verfolgte Künste Solingen

In einem gemeinsamen Projekt mit dem documenta archiv, Kassel, stellt sich das Zentrum für verfolgte Künste der Frage, welche Rolle die documenta und ihre Gründer bei den Kanonisierungsprozessen bildender Kunst in der Nachkriegszeit spielten. Die documenta 1955 war als europäisches Großereignis geplant, das die „Kunst der Gegenwart“ mit der Kunst vor 1933 verbinden wollte. Wurde sie diesem Anspruch gerecht?

Arnold Bode war nicht nur Initiator der documenta, sondern auch Künstler, Gestalter und schon in den 1920er Jahren als Kurator aktiv. Sein Engagement erlaubt es uns, zwei von ihm mitverantwortete Ausstellungen zu vergleichen: die Vierte Grosse Kunstausstellung Kassel 1929 und die erste documenta 1955.

Fotografie von Arnold Bode
Arnold Bode

© documenta archiv /
Nachlass Arnold Bode
Arnold Bode (1900 - 1977),
Signatur: docA, MS, 10002817

30 Künstler:innen der Solinger Sammlung Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else Lasker-Schüler Zentrum — Kunstsammlung Gerhard Schneider waren in der Ausstellung 1929 vertreten — 1955 waren es nur drei. Was geschah mit den 27 restlichen Künstler:innen?

Die Ausstellung
1929/ 1955

Die Ausstellung ist in drei Kapitel eingeteilt. Im ersten Abschnitt werden die Vierte Grosse Kunstausstellung 1929 und die erste documenta 1955 miteinander verglichen.

Im zweiten Abschnitt stellen wir sechs Künstler:innen aus der Ausstellung 1929 vor und zeigen, welchen Einfluss das NS-Regime auf ihr Leben und Werk hatte. Einer davon ist Arnold Bode, den wir als Initiator der beiden Ausstellungen beleuchten.

Der dritte Abschnitt ist eine partielle Rekonstruktion der Vierten Grossen Kunstausstellung in Kassel 1929 auf der Basis der Sammlung der Bürgerstiftung für verfolgte Künste und internationalen Leihgaben.

Kurze Geschichte des
Kasseler Kunstvereins

1935

In Kassel wird der Kunstverein für Kurhessen gegründet. Er hat das Ziel, „den Sinn für bildende Kunst zu befördern“. Ein Komitee organisiert Kunstausstellungen.

1935

Erste Jahresausstellung u. a. mit Werken des Goethe-Porträtisten Johann Heinrich Wilhelm Tischbein.

27. Dezember 1871

Mit dem Kulturhaus am Ständeplatz wird ein eigenes Ausstellungshaus eröffnet. 1877 übernimmt die Stadt Kassel das Kunsthaus, der Kunstverein für Kurhessen bleibt Mieter.

5. Juni – 1. September 1913

Erste Grosse Kunstausstellung Kassel

Anlässlich der Tausendjahrfeier der Residenzstadt Kassel werden in der Orangerie in der Karlsaue 850 Gemälde, Skulpturen, Aquarelle, Druckgraphiken und Zeichnungen von 301 lebenden Künstler:innen präsentiert.

3. Juni – 22. August 1922

Zweite Grosse Kunstausstellung Kassel

Zweite Grosse Kunstausstellung Kassel. Gezeigt werden 126 Gemälde, 101 Aquarelle und Graphiken sowie 30 Plastiken von 82 Künstler:innen.

1. Juni – 15. September 1927

Dritte Grosse Kunstausstellung Kassel

Anlässlich der 150-Jahr-Feier der Kasseler Kunstakademie in der Orangerie mit Arbeiten der jüngst von Arnold Bode gegründeten Kasseler Secession, insgesamt 214 Werke von 60 Künstler:innen.

1. Juni – 1. September 1929

Vierte Grosse Kasseler Kunstausstellung

Der Katalog benennt die Gremien der Ausstellung und eine beeindruckende Anzahl von Honoratior:innen der Stadt, darunter nur eine Frau. Arnold Bode ist gemeinsam mit Heinrich Dersch als Kurator für die Auswahl der Kunst verantwortlich. 408 Werke von 173 Künstler:innen.

Paul Westheim rezensierte in seiner Zeitschrift Das Kunstblatt :
„Jetzt hat der Kunstverein in der Orangerie eine Ausstellung junger Kunst organisiert, die weit über Kassel hinaus Interesse verdient. Wie im vorigen Jahr in Düsseldorf nicht wieder das übliche Bild, nicht wieder die sattsam bekannten und zum Teil schon ausgedienten Größen des Ausstellungsbetriebes, sondern eine Phalanx der jungen frischen Kräfte, die einen neuen Auftakt ankündigen.“

1935

Während der nationalsozialistischen Diktatur übernimmt das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Leitung des Kunstvereins. Der gesamte Vorstand wird aufgelöst und die Satzung der NS-Doktrin bzw. den Nürnberger Rassegesetzen vom 15. September 1935 angepasst. Nur Personen, die sich als „arisch“ ausweisen, können Mitglied werden.

22. September 1948

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der Nazi-Herrschaft planen 60 Mitglieder des Kunstvereins eine Neugründung. Den Arbeitsausschuss leitet u.a. Herbert von Buttlar, der später dem Sekretariat der documenta  vorstehen wird.

1949

Erste Ausstellung des neuen Kunstvereins im Lichthof des Ständehauses mit Bildnissen aus Kasseler Privatbesitz.
Im selben Jahr folgt eine Ausstellung abstrakter Kunst mit Werken von Hans Hartung, Pierre Soulages und František Kupka.
1951 Einzelausstellungen von Hans Poelzig,
1952 Otto Pankok, Teo Otto,
1953 Frans Masereel,
1953 Gerhard Marcks,
1954 Adolf Hölzel und Walter Gropius,
1955 Hermann Blumenthal.
Heute ist der Kunstverein im Fridericianum untergebracht.

Kunst des XX. Jahrhunderts
– die documenta 1955

„Der Gedanke, heute eine internationale Ausstellung der Kunst des 20. Jahrhunderts in Deutschland zu veranstalten, liegt so nahe, daß er keine nähere Begründung zu erfordern scheint,“ so Werner Haftmann, kunsthistorischer Chefberater der documenta  1955, in seiner Katalogeinleitung. Die Ausstellung will einen Überblick über die Entwicklungen der europäischen Kunst seit 1900 geben, „mit dem Ziel einer kulturellen Standortbestimmung für die Gegenwartskunst“, wobei „die während des Nationalsozialismus als ‚entartet‘ diffamierten Künstler rehabilitiert […] und Deutschland wieder in die Reihe der europäischen Kulturnationen eingebunden“ werden sollte.

„Die documenta sollte die unterbrochene Tradition [der Avantgarde-Ausstellungen der 1910er und 1920er Jahre in Deutschland] wieder aufnehmen, die monströse Hetzausstellung [„Entartete Kunst“-Aktion] dementieren und Informationen über den zwischenzeitlichen Fortschritt der modernen Kunst im In- und Ausland nachreichen.“

– Walter Grasskamp

Ende 1953

Mit seinem Exposé für eine Ausstellung Europäischer Kunst des 20. Jahrhunderts  legt Arnold Bode ein beeindruckendes Programm vor. Es geht weit über die später realisierte Schau hinaus. Gleichberechtigt neben Malerei und Skulptur sollen Architektur, neues Formschaffen, neue Werkstoffe, Abendmusik, Literaturveranstaltungen, Filme, Vorträge und Theateraufführungen eingebunden werden. Bode gründet den Club 53, in dem er Gleichgesinnte um sich versammelt.

Anfang 1954

Die für das Jahr 1955 in Kassel geplante Bundesgartenschau bietet für Bode die Chance, sein Ausstellungsvorhaben zu realisieren. In dem vermutlich Anfang 1954 verfassten Konzept, dem sogenannten Bode-Plan, erläutert Bode seine Absichten. Der Plan existiert in einer langen und in einer kurzen Fassung. Sie weichen an einigen Stellen voneinander ab. In der Langfassung spricht Bode indirekt von der NS-Verfolgung und Isolation der deutschen Künstler:innen: „Sie [die Ausstellung] ist aber notwendig, für die Künstler, um von deutscher Seite den Kontakt wieder aufzunehmen […].“ In der Kurzfassung schwächt er diese Formulierung ab, es heißt dort: „Sie [die Ausstellung] wird aber immer nötiger: für die Künstler, damit für sie der Kontakt mit dem Ausland immer enger wird […].“

28. April 1954

Nachdem Bode die Stadt Kassel und das Land Hessen von der Idee überzeugt hat, parallel zur Bundesgartenschau 1955 eine große Kunstausstellung in Kassel zu veranstalten, geht aus dem Club 53 als Träger der Ausstellung die Gesellschaft Abendländische Kunst des XX. Jahrhunderts e.V. Kassel  hervor. Neben Bode sind im Arbeitsausschuss die Direktoren der Kunsthallen in Hamburg und Karlsruhe sowie der Städelschule in Frankfurt am Main vertreten. Die Innenausstattung des Museum Fridericianum soll nach einem Entwurf Bodes erfolgen. Als Leiter des Sekretariats wird Ulrich Gertz benannt.

Mitte 1954

Nach der Gründung der Gesellschaft wird die Realisierung der Ausstellungsidee konkreter.
Bode gliedert die documenta  in acht Kapitel. Architektur, Design, angewandte Kunst sowie Einzelpräsentationen von Künstler:innen werden später ersatzlos gestrichen. Eine als „Imaginäres Museum“ bezeichnete Zusammenstellung von Kunstwerken über Kontinente und Jahrhunderte hinweg wird im Eingangsbereich mit einer Fotogalerie verwirklicht. Interessanterweise wollte Bode ursprünglich auch die Neue Sachlichkeit und „Primitive“ [gegenständlich arbeitende Künstler:innen wie Ringelnatz] mit in die Ausstellung aufnehmen. Vergessen hatte er die junge Kunst der Weimarer Republik nicht. Sie wird 1955 jedoch nicht gezeigt.

1. Dezember 1954

Bode hat in der alphabetischen Künstler:innenliste den Personen jeweils Nationen zugeordnet. Beschränkten sich die bisher von ihm organisierten Ausstellungen auf deutsche Künstler:innen, so sind ihm jetzt der „Europa-Gedanke“ und die „abendländische Kunst der Gegenwart“ unter Einbeziehung der USA wichtig.

22. Januar 1955

Arnold Bode schreibt an Werner Haftmann, der im Vorjahr sein Standardwerk Malerei im 20. Jahrhundert veröffentlicht hat: „[…] dieses Schreckgespenst ‚Bonn‘ [Synonym für die Bundesregierung] sass uns noch immer im Nacken. Dadurch wusste man wirklich nicht recht, ob die Ausstellung nicht noch im letzten Augenblick danebengehen würde. Jetzt sind wir nun aber sozusagen am richtigen Beginn, und ich freue mich sehr, dass Sie uns Ihre Mitarbeit zugesagt haben.“ Die Finanzierung steht. Haftmann hat seine Mitarbeit im Arbeitsausschuss der documenta zugesagt und Bode freut sich, ihn bald in Paris treffen zu können.

31. März 1955

Anhand der Protokolle der Vorstandssitzungen kann die Diskussion um die Ausrichtung der documenta  und die Auswahl der Künstler:innen, aber auch die alltäglichen Probleme, wie Finanzierung, Zu- oder Absagen nachvollzogen werden.
Nur drei Monate vor Ausstellungseröffnung gab es einen Wechsel in der Leitung des Sekretariats. Herbert von Buttlar übernimmt die Aufgaben von Ulrich Gertz.

15. Juli - 18. September 1955

Erste documenta Kassel

Die Bode-Pläne werden nur teilweise umgesetzt, die documenta  konzentriert sich im Fridericianum auf Malerei und Skulptur. Als eine Reminiszenz an den Bode-Plan wird im Treppenhaus und in der Eingangshalle das „Imaginäre Museum“ verwirklicht.

15. Juli 1955

Nicht Arnold Bode, sondern der wortgewaltigere Werner Haftmann, der auch den Einleitungstext für den Katalog verfasst hat, hält die Eröffnungsrede zur documenta. Sein Name ist in der Folge untrennbar mit der documenta  verbunden.

2. August 1955

Herbert von Buttlar plant ein documenta  Festessen mit Schildkrötensuppe und Fürst Pückler Eis.

20. März 1956

Ursprünglich sollte die Gesellschaft für abendländische Kunst des XX. Jahrhunderts e.V.  nach der documenta 1955 aufgelöst werden. Durch den großen Erfolg der Ausstellung entscheidet sich die „ordentliche Mitgliederversammlung“ jedoch dagegen, erweitert die Gesellschaft um neue Mitglieder und plant – damals noch mit einem Abstand von vier Jahren – die documenta II für das Jahr 1959.

Biografien der Künstler:innen

1888

Josef Albers wird am 19. März in eine Handwerksfamilie in Bottrop geboren.

1902–1915

Ausbildung zum Volksschullehrer und Ausübung der Lehrtätigkeit. Beeindruckt von zeitgenössischen Künstler:innen entscheidet er sich für ein künstlerisches Studium an der Königlichen Kunstschule Berlin. Als Lehrer wird er nicht Soldat im Ersten Weltkrieg.

1916–1918

Rückkehr ins Ruhrgebiet und Abendkurse an der Kunstgewerbeschule in Essen, wo er zum Medium Glas findet. 1917 profiliert er sich mit einer Auftragsarbeit für ein Kirchenfenster in Bottrop.

1920–1924

Studium am Staatlichen Bauhaus in Weimar. Entgegen den Plänen seines Lehrers Johannes Itten möchte Albers weiterhin mit Glas arbeiten. Albers sammelt Material für seine Glasarbeiten auf Schutthalden in der Stadt. 1921 beauftragt ihn Walter Gropius, die Glaswerkstatt des Bauhauses einzurichten und den Vorkurs zu leiten. Mehrere Fensteraufträge, unter anderen für das Ullstein-Verlagshaus in Berlin und das neue GRASSI Museum in Leipzig.

1924–1926

In Thüringen erreichen rechte Parteien die Schließung des Weimarer Bauhauses durch drastische Kürzungen der finanziellen Mittel. Dessau setzt sich als neuer Standort durch. Albers wird Jungmeister und heiratet die Künstlerin Anneliese „Anni“ Fleischmann.

Historische Aufnahme einer Teilgruppe der von Josef Albers entworfenen und von Puhl & Wagner, G. Heinersdorff, Berlin, ausgeführten Fenster im Haupttreppenhaus des GRASSI Museum in Leipzig,
© bpk / GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig / Heinrich Kirchhoff / VG Bild-Kunst

1930–1933

Albers wird neben Ludwig Mies van der Rohe stellvertretender Bauhaus-Direktor. Im August 1932 lernt das Ehepaar Albers auf Hiddensee den Künstler Oscar Zügel kennen, die Freundschaft bleibt über die kommenden drei Jahrzehnte bestehen. Albers erfährt von der durch die NSDAP initiierten Schließung des Dessauer Bauhauses und zieht mit der Kunstschule nach Berlin um, die dem Kommunismus nahestehenden Lehrer:innen und Student:innen werden von Mies van der Rohe der Schule verwiesen.

1933

Auch in Berlin wird das Bauhaus geschlossen. Das Ehepaar Albers entscheidet sich, Deutschland zu verlassen. Auf Empfehlung des Museum of Modern Art Übersiedelung nach North Carolina in die USA, wo Albers an das neu gegründete Black Mountain College berufen wird. „I want to open eyes“ wird zu einer Art Motto für Albers‘ Lehrtätigkeit im Exil.

1936–1940

Über 20 Einzelausstellungen seiner immer abstrakter werdenden Bilder. 1937 werden sechs Druckgrafiken Albers‘ bei der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt. 1939 können Anni Albers‘ Eltern nach Mexiko emigrieren. Ihre Mutter entstammt der deutsch-jüdischen Verlegerfamilie Ullstein, die bereits seit vielen Jahren starken Repressionen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt ist.

1941–1948

Lehre in Harvard. Albers‘ Werke werden 1948 in Deutschland gezeigt und er wird zum Rektor des Black Mountain Colleges ernannt.

1950

Ein neuer Lebensabschnitt: Albers wird als Dekan für den Fachbereich Design an die Yale University in New Haven, Connecticut, berufen. In demselben Jahr malt er das erste Bild seiner bekanntesten Werkserie Homage to the Square, mit der er nun auch seinen internationalen Durchbruch feiert. In den kommenden 20 Jahren wird er 2000 Werke dieser Art schaffen. Von 1953–54 unterrichtet Albers an Universitäten in Peru und Chile.

1955

Teilnahme an der ersten
documenta unter anderem mit dem Fenster  von 1929 und Homage to the Square: Apodictic von 1950–54.

1963

Publikation seiner pädagogischen Farb- und Formenforschung Interaction of Colour.

1968

Teilnahme an der documenta 4.

1971

Retrospektive im Museum of Modern Art in New York als erster noch lebender Künstler seiner Zeit.

1976

Am 25. März 1976 stirbt Albers in New Haven, Connecticut. Bis zu seinem Tod erhält er 14 Ehrendoktorwürden, das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Bottrop.

1876

Cesar Klein wird am 14. September als Carl Robert Andreas Klein in Hamburg geboren. Seine Eltern sind der Tischler Carl August Klein und Johanna Catharina Margaretha Elsabe Klein.

1892–1899

Auf Wunsch seines Vaters beginnt Klein 1890 eine Malerlehre. Im Anschluss besucht er die Hamburger Kunstgewerbeschule, drei Jahre später die Düsseldorfer Kunstakademie. Klein siedelt nach Berlin um und beendet seine Studienzeit mit einem Stipendium an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums bei Max Seliger.

1900–1906

Zunächst arbeitet Klein als Illustrator von Büchern, Plakaten und sogenannte Gebrauchsgrafik für die Steglitzer Werkstatt  und unterrichtet an deren Kunstschule. Später führt er zusammen mit Max Seliger Aufträge in Leipzig aus. 1903 kehrt Klein nach Berlin zurück und widmet sich dem Kunstgewerbe und der Innenarchitektur, der Glasmalerei und Mosaikarbeit.

1907–1913

1910 gehört er mit Georg Tappert, Heinrich Richter-Berlin, Arthur Segal, Max Pechstein und anderen zu denen, die von der Jury der Berliner Secession abgelehnt werden. Durch Initiative von Georg Tappert sammeln sich 27 der Betroffenen in einer Neuen Secession, darunter Cesar Klein. 1912 stellt er auf der 4. Sonderbundausstellung Köln aus. Mit der Innengestaltung des Marmorhauskinos beginnt Klein, die Formen des Expressionismus auf das Kunstgewerbe zu übertragen.

1914–1919

Klein beteiligt sich an der Werkbund-Ausstellung in Köln. Bis kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs unternimmt er eine Studienreise nach Frankreich und Italien, Cézanne und Bonnard beeinflussen ihn. Aus gesundheitlichen Gründen wird er nicht zum Wehrdienst eingezogen. Über Kleins persönliche Lebensumstände während der Kriegsjahre ist wenig bekannt.

1918 ist Cesar Klein aktives Mitglied der Novembergruppe. In der Zeitschrift Der Sturm  werden seine Holzschnitte veröffentlicht. Den Ruf Walter Gropius‘ auf eine Meisterstelle am Bauhaus in Weimar lehnt er ab. 1919 wird er Leiter einer Klasse für Dekorationsmalen an der Schule des Kunstgewerbemuseums Berlin und beginnt seine Tätigkeit als Bühnenbildner.

1920–1930

Neben der Gestaltung der Wohn- und Geschäftsräume des Galeristen Wolfgang Gurlitt führt Klein die Deckengemälde im Theater am Kurfürstendamm sowie wandumfassende Verzierungen im Berliner Renaissance-Theater aus. Er entwirft die Ausstattung der expressionistischen Filme Genuine  und Sodoms Ende. 1924 beginnt seine Lehrtätigkeit an den Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Handwerk. Unter den Schülern Cesar Kleins befindet sich Felix Nussbaum.

1929

1929 werden zwei Werke César Kleins auf der Vierten Grossen Kunstausstellung  in Kassel ausgestellt: Zwei Frauen und Stilleben.

1931–1933

Verleihung des Professorentitels an den Vereinigten Staatsschulen. 1932 Gründung der Künstlergruppe selection  in Berlin mit Oskar Schlemmer, Lyonel Feininger und Paul Klee. 1933 zeitweilige, zwangsweise Beurlaubung vom Lehramt durch die Joseph Goebbels unterstellte Reichskulturkammer.

1937–1945

Klein siedelt nach Pansdorf um und zieht sich in sein Landhaus zurück. Er wird endgültig aus dem Lehramt entlassen. Seine Arbeiten werden aus den deutschen Museen und Galerien entfernt, einige seiner Werke sind Teil der Münchener Wanderausstellung „Entartete Kunst“.

1946–1954

Klein arbeitet wieder für die Bühne. Sein Malstil wird abstrakter und enthält surrealistische Elemente. In der Nachkriegszeit ist Klein als erfolgreicher Bühnenbildner tätig, bis er am 13. März in Folge eines Herzversagens in Pansdorf stirbt.

1900

Arnold Bode wird am 23. Dezember geboren. Seine Eltern haben einen Zimmereibetrieb.

1919–1924

Studium der Malerei und Graphik an der Kunstakademie Kassel bei Curt Witte und Ewald Dülberg. Meisterschüler für freie Wandmalerei und Raumgestaltung, Staatsprüfung zum Zeichenlehrer. Besuch des Staatlichen Bauhauses Weimar und Kontakt mit den Bauhaus-Lehrern Wassily Kandinsky, Paul Klee und Lyonel Feininger.

1925

Reisen und Malen: Berlin, Paris und Bandol (an der Côte d’Azur) u.a. mit Carl Döbel und Teo Otto. Enthusiastische Museumsbesuche, Gründung der Kasseler Secession und der Künstlergruppe Die Fünf, mit August Anhalt, Otto Julius Fleck, Karl Leyhausen und Celil ffrench Salkeld, mit denen er Kunstausstellungen organisiert.

1929

Eintritt in die SPD. Bode ist nach seinen eigenen Worten „Sozialdemokrat mit Leib und Seele“ und bleibt es ein Leben lang, auch als sein Bruder, der Architekt Paul Bode, wenig später in die NSDAP eintritt.

Gemeinsam mit Heinrich Dersch Kurator der Abteilung Neue Kunst für die Vierte Große Kunstausstellung Kassel 1929 – Neue Kunst in der Orangerie, an der er auch mit Kunstwerken teilnimmt.

1927

Teilnahme an der Jubiläumsausstellung 150 Jahre Casseler Kunstakademie.

1930

Heiratet Marie-Louise, „Marlou“, Kaufmann. Berufung an das Städtische Werklehrer-Seminar in Berlin, Dozent in der Vorlehre: Fläche – Raum – Farbe – Schwarz-Weiß. Umzug nach Berlin.

1932

Bode wird stellvertretender Direktor des Städtischen Werklehrer-Seminars.

1933

Am 1. Mai 1933 Entlassung aus dem Werklehrer-Seminar aufgrund seiner Lehrmethoden und politischen Einstellung, Zerstörung von Bildern.

Nach seiner Entlassung bleibt Bode ordentliches Mitglied des Deutschen Künstlerbundes (DKB) und nimmt 1936 an der letzten DKB-Jahresausstellung im Hamburger Kunstverein teil, bevor diese nach zehn Tagen zwangsweise geschlossen wird. Auch bleibt er bis 1935 Mitglied der Berliner Secession.

1934

Rückkehr nach Kassel. Fortan arbeitet Bode nach eigener Aussage „im Dunkeln“, plant im Architekturbüro seiner Brüder anonym und entwirft unter Pseudonymen Räume und Möbel.

1937

Paris: Pablo Picassos monumentales Anti-Kriegs-Bild Guernica im spanischen Pavillon auf der Weltausstellung beeindruckt ihn zutiefst, er bezeichnet es als „Signal für alle Widerstandskämpfer“.

1939–1943

Bode wird zum Kriegsdienst eingezogen: Einsatz zum Bau von Soldatenunterkünften und als Fahrer im besetzten Frankreich.
Vernichtung seiner Wohnung inklusive aller seiner Bilder bei der Bombardierung der Stadt Kassel.

1945

Bode kommt in amerikanische
Kriegsgefangenschaft.

1946

Mitbegründer der Hessischen Sezession. 1947 Neugründung der 1932 geschlossenen Kasseler Kunstakademie als Staatliche Werkakademie. Bis 1969 dort Professor für Malerei sowie Raumgestaltung und Ausstellungsarchitektur.

1954

Erste Projektpläne für eine internationale Kunstausstellung zur Bundesgartenschau 1955 in Kassel. Gründungsmitglied der Gesellschaft Abendländische Kunst des XX. Jahrhunderts e.V.

1955

Anlässlich der ersten documenta schreibt Bode: „Wir waren der Meinung, etwas sagen zu müssen zu den verlorenen Jahren 1933-1945: Erfahrungen und Erinnerungen an die zwanziger Jahre, an die Kunststadt Paris, an Rom, an London, an das Bauhaus, an die Lehrjahre in Kassel, an die Arbeitsjahre in Berlin.“

Arnold Bode und ein Teil seines Aufbauteams im Fridericianum (v.l.n.r.): Horst Schwitzki (Bode-Schüler), Peter M. Bode
(Sohn von Arnold Bode), unbekannte Person, Arnold Bode, Dieter Rudolph und Heinz Nickel (Bode-Schüler).
© documenta archiv / Foto: Walter Popp

1956–1964

Kuratiert und gestaltet zahlreiche Ausstellungen für die göppinger galerie in Frankfurt am Main

1959

documenta II: Ausstellungsleiter; Ausstellungsbeirat
und Mitglied der Hängekommission; Ausschüsse
Malerei und Skulptur und Druckgrafik;
Ausstellungsarchitektur; Kataloggestaltung.

1964

documenta III: Ausstellungsleiter; Vorsitzender des documenta-Rats; Ausschuss Malerei und Skulptur; Ausstellungsarchitektur; Kataloggestaltung.

1968

documenta 4: Vorsitzender des documenta-Rats;
Mitglied aller Arbeitsausschüsse; Ausstellungsarchitektur.

1972

documenta 5: zunächst Mitglied der Realisatorengruppe (1971), dann Mitglied
der Arbeitsgruppe

1977

documenta 6: Mitglied im documenta-Komitee.

Arnold Bode stirbt am 3. Oktober 1977, einen Tag nach dem Ende der sechsten documenta in Kassel.

Podiumsdiskussion über die documenta 6 im Gemeindehaus der Lutherkirche in Kassel während der Ausstellung: Arnold Bode, Mitglied des documenta-Komitees der documenta 6 (1977).
© documenta archiv / Foto: Dieter Schwerdtle

1904

Felix Nussbaum wird am 11. Dezember als zweiter Sohn des jüdischen Eisenwarenhändlers Philipp Nussbaum und dessen jüdischer Ehefrau Rahel in Osnabrück geboren.

1922–1928

Nussbaum verlässt das Osnabrücker Realgymnasium ohne Abitur und studiert Malerei und Grafik an der Hamburger Kunstgewerbeschule. Ab 1923 setzt er sein Studium an der Lewin-Funke-Schule und an der Vereinigten Staatsschule der Kunstakademie in Berlin fort. Mit Ausstellungen in der Galerie Goldschmidt und in der Galerie des Kaufhauses Wertheim hat er erste Erfolge.

Felix Nussbaum, Selbstbildnis mit Maske,
bezeichnet (auf der Rückseite eines Fotos im Nachlass
der Mutter Ey und im Katalog der Ausstellung Kassel 1929), signiert und datiert: Felix Nußbaum 1928,
Öl auf Leinwand, 62 × 50,5 cm,
© Privatbesitz

1929

Beteiligung an den Ausstellungen Frauen in Not  in Berlin und an der
Vierten Grossen Kunstausstellung  Kassel mit dem Selbstbildnis mit Maske,
dem Landschaft mit Luftballon und einer Berliner Straße.

1934

Die Preußische Akademie der Künste verleiht ihm für sein Bild Der tolle Platz  den Großen Staatspreis und vergibt an ihn das Villa-Massimo-Stipendium, einen Studienaufenthalt in Rom.
Ein Feuer im untervermieteten Atelier in
Berlin zerstört fast sein ganzes Frühwerk.

1933–1935

Am 17. Mai muss Felix Nussbaum nach einem Streit und Schlägerei mit einem Künstlerkollegen die Villa Massimo verlassen. Nussbaum und seine Partnerin Felka Platek kehren nicht ins Deutsche Reich zurück, emigrieren über Paris nach Ostende. Trotz der Machtübernahme der Nationalsozialisten zieren seine Zeichnungen Titel die Kunstzeitschrift Querschnitt.

Bestätigung des Königreichs Belgien über die Eintragung ins Fremdenregister (Fremdenpass) für Felix Nussbaum, ausgestellt am 16. November 1935,
verlängert am 8. November 1937,  
© Felix-Nussbaum-Haus / Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück

1935–1937

Felix Nussbaum und Felka Platek bleiben in Belgien. Am 16. November 1935 erhält er einen belgischen Fremdenpass. Er arbeitet als freier Künstler, Porzellanmaler und Illustrator. 1937 beziehen sie eine Wohnung in der Rue Archimède in Brüssel.

1938

Ausstellung seiner Werke in Amsterdam und mit dem Freien Künstlerbund  in Paris.

1939

Geschockt von der Pogromnacht fliehen Nussbaums Eltern von Köln nach Amsterdam. Sie werden zusammen mit dem Bruder und seiner Familie 1944 im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Ausstellung der Rue Triste  in Brüssel.

1940

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Belgien wird Nussbaum im Mai in Brüssel verhaftet und als „unerwünschter Ausländer“ in das Lager Saint-Cyprien (Frankreich) deportiert. Im September flieht Nussbaum zurück nach Brüssel.

Felix Nussbaum, Selbstbildnis mit Judenpass,
signiert (auf dem Ausweis im Bild mit Pinsel in dunkelblauer Ölfarbe):
Felix Nussbaum, undatiert und unbezeichnet,
Öl auf Leinwand, 56 × 49 cm, um 1943,
© Felix-Nussbaum-Haus / Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück,
Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung

1942–1944

Die Nussbaums tauchen unter und verstecken sich in der Mansarde in der Rue Archimède. Er versteckt seine Bilder in Depots und hat ein geheimes Atelier in der Rue General Gratry. Jetzt entsteht sein künstlerisches Vermächtnis, wie das Porträt mit dem Nottitel Selbstbildnis mit Judenpaß. Es wird in den 1980er Jahren zu einer Ikone der Verfolgung und der Shoah.

1944

Am 18. April beendet er sein letztes Bild, den sogenannten Triumph des Todes. Am 20. Juni werden Felix Nussbaum und seine Frau denunziert und verhaftet. Am 2. August kommen beide mit dem letzten Zug aus dem Sammellager Mechelen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an. Felix Nussbaum wird als Häftling Nummer B-3594 registriert und sein Name taucht auf einer Liste des Lagerkrankenbaus am 20. September letztmalig auf. Das Datum seines Todes ist unbekannt.

Felix Nussbaum, Der Triumph des Todes (Die Gerippe spielen zum Tanz),
unbezeichnet, signiert und datiert: Felix Nussbaum 18. April 1944 Mardi,
Öl auf Leinwand, 100 × 130 cm,
© Felix-Nussbaum-Haus / Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück,
Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung

1955

Fünf Werke Felix Nussbaums werden in der Ausstellung Fünf Osnabrücker Maler  in Osnabrück gezeigt. Seine in Israel lebende Cousine Auguste Moses-Nussbaum sucht nach der Familie und findet die Bilderdepots in Brüssel. Der Rechtsstreit um die Rückgabe aus den Depots dauert bis 1970.

1971

Weder ein großes Museum in Israel noch in Deutschland interessiert sich für die Bilder. Erst eine kleine Gruppe engagierter Menschen in Osnabrück organisiert die erste Ausstellung in der Dominikaner Kirche. Jahr für Jahr werden es mehr Ausstellungen und das Interesse an seinem Werk wächst.

1998

Am 16. Juli wird das von Daniel Libeskind entworfene Felix-Nussbaum-Hauses in Osnabrück eröffnet. Jetzt ist Felix Nussbaum ein weltberühmter Maler.

2017

Die Autobiografie von Auguste Moses-
Nussbaum Reise mit zwei Koffern  erscheint im Wallstein Verlag. Sie berichtet von der Wiederentdeckung der Werke ihres Cousins Felix Nussbaum in Brüssel. Ihre Söhne stellen das Buch im Zentrum für verfolgte Künste persönlich vor.

Auguste Moses-Nussbaum
Reise mit zwei Koffern. Lebenserinnerungen,
herausgegeben von Jürgen Kaumkötter und Christoph Rass,
kommentiert in Zusammenarbeit mit Jannis Panagiotidis und Frank Wolff.
Aus dem Hebräischen übersetzt von Ruth Achlama,
Wallstein Verlag, Göttingen 2017

1883

Joachim Ringelnatz wird am 7. August als Hans Bötticher in Wurzen bei Leipzig geboren. Seine Mutter Rosa Marie Bötticher arbeitet neben dem Haushalt an Perlenstickmustern, der Vater Georg Bötticher ist Musterzeichner, später Jugendschriftsteller. Die Familie lebt in bescheidenem Wohlstand, beschäftigt zwei Dienstmädchen.

1901–1909

Ringelnatz wird ohne Wissen der Eltern Schiffsjunge und heuert später als Matrose auf Segel- und Dampfschiffen an. Er absolviert eine kaufmännische Lehre in Hamburg, arbeitet als Hausmeister in einer Pension, wird Lehrling in einer Dachpappenfabrik und Angestellter in einem Münchner Reisebüro.

1909

Auf der Bühne des Münchner Lokals Simplicissimus  wird er zum Vortragskünstler, macht in der Nachbarschaft einen Tabakladen auf, nennt ihm Zum Hausdichter  und muss nach neun Monaten wieder schließen.

Solang sich um die Axe dreht
noch unser Erdenglobus
kommt jede Nacht der Hauspoet
zu seiner Kathi Kobus
er trinkt so manches Gläschen aus
zum allgemeinen Wohle
und macht zuletzt Gedichte draus
noch giftiger als die Bowle
der Hausdichter
17. Juli 09
Hans Bötticher

1909–1914

Veröffentlichung erster autobiografischer Geschichten, Kindererzählungen und grotesk-komischer Gedichte, darunter Die Schnupftabaksdose  (1912), Ein jeder lebt’s  (1913). Seinen Lebensunterhalt verdient er sich unter anderem als Bibliothekar der Familie York Graf von Wartenburg in Schlesien sowie als Fremdenführer und Schaufensterdekorateur in München. York Graf von Wartenburg wird später zum inneren Kreis des Widerstands gegen Hitler gehören, beteiligt sich am Attentatsversuch des 20. Juli 1944 und wird in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

1914–1918

Kriegsdienst bei der Marine. Ringelnatz wird Offizier.

1919

Nun nennt er sich Joachim Ringelnatz, vielleicht wegen des von ihm geschätzten Seepferdchens, das umgangssprachlich auch Ringelnass heißt.

1920

Veröffentlichung der Balladen vom Seemann Kuttel Daddeldu und der Turngedichte.

1923

Am 23. April erste öffentliche Ausstellung seiner bildenden Kunst in der Galerie Flechtheim in Berlin.
Im September die zweite Ausstellung bei Flechtheim.

Ab 1924

Ausstellungen in der Galerie Würthle, Wien, in der Frankfurter Dependance der Galerie Flechtheim und im Dezember in der Galerie Nierendorf zusammen mit Otto Dix und George Grosz, vermutlich zeigte Ringelnatz hier die Zeichnungen zu … einer Roma… .

Joachim Ringelnatz
Geheimes Kinder-Spiel-Buch mit vielen Bildern. Für Kinder von 5 bis 15 Jahren gedichtet und bebildert von Joachim Ringelnatz, Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam 1924, Erstausgabe, Vorzugsausgabe,
signiert und mit Originalzeichnung

1925–1928

Erste Teilnahme an der Jahresausstellung der Akademie der Künste, Verkauf des Bildes  Winter  noch vor der Eröffnung. Ausstellungen in der Berliner Galerie Wiltschek und in der Leipziger Galerie Heinrich Brachfeld.

1929

Teilnahme an der Ausstellung Neue Kunst in der Orangerie in Kassel. Beitritt zu den Künstlervereinigungen Novembergruppe  und Junges Rheinland.

1931

Ausstellung im Vereinshaus der Berliner Künstler.

1933

Ringelnatz wird nicht Mitglied der nationalsozialistischen Reichskulturkammer und kann nicht mehr öffentlich auftreten. Sein Bild 11 Uhr nachts  wird aus der Berliner Nationalgalerie im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ entfernt und vom Kunsthändler Gurlitt aufgekauft. Die letzte Spur hinterlässt das Bild auf der Rückseite eines Fotos aus den 1930er Jahren: Jetzt sei es in Düsseldorf. Es ist bis heute verschwunden.

1934

16. November: Verarmt stirbt Joachim Ringelnatz an einer Lungenkrankheit in Berlin. Gemäß seinem letzten Wunsch wird er unter den Klängen des Seemannsliedes La Paloma zu Grabe getragen.

1935–1945

Das Geheime Kinderspielbuch, das Kinderverwirrbuch, Kuttel Daddeldu  und die Turngedichte  kommen auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums. Andere Bücher werden überarbeitet und erotische Gedichte entfernt. Während des Krieges erscheinen in nationalsozialistischen Verlagen „illegale“ Ringelnatz-Gedichtbände für Soldaten, sogenannte Tornisterbücher.

1955

Die documenta zeigt keine Kunstwerke von ihm. Der Maler Joachim Ringelnatz wird in der Nachkriegszeit vergessen. Nur wenige Bilder gelangen in öffentliche Museen. Anders die Literatur: Bis heute sind Ringelnatz-Gedichte ohne Unterbrechung auf den kleinen und großen Bühnen präsent. Seine Bücher werden ohne Pause immer wieder neu aufgelegt.

1881

Milly Steger wird am 15. Juni in Rheinberg geboren und wächst in Wuppertal-Elberfeld auf.

1899–1906

Sie besucht in der Kunstgewerbeschule Elberfeld die Klasse der Stuckateure und Steinmetze und setzt ihre Ausbildung zur Bildhauerin im Atelier Karl Jansen in Düsseldorf fort. Während mehrerer Studienreisen lernt sie Georg Kolbe und die Werke von Auguste Rodin und Aristide Maillol kennen.

1908–1912

Milly Steger lebt in Berlin und nimmt an Ausstellungen der Berliner Secession teil. Durch die Vermittlung von Karl Ernst Osthaus werden ihre Skulpturen auf den Präsentationen des Sonderbunds 1910 in Düsseldorf und 1912 in Köln gezeigt.

1911–1916

Auf Einladung von Karl Ernst Osthaus zieht die Künstlerin nach Hagen/Westfalen in die Künstlerkolonie Hohenhagen. Es entstehen architekturgebundene Skulpturen für die Stadt Hagen, z. B. die Frauen-Statuen am Portal des Theaters.

1917–1926

Rückkehr nach Berlin. Milly Steger ist eine erfolgreiche Bildhauerin, die an großen Kunstausstellungen der Zeit teilnimmt, so z. B. den Ausstellungen der Preußischen Akademie der Künste, der Berliner Secession, der Internationalen Kunstausstellung in Dresden (1926). 1922 stellt die Galerie Fritz Gurlitt sie in einer Einzelausstellung vor.

1929

Teilnahme an der Vierten Grossen
Kunstausstellung
  in Kassel.

1929

Teilnahme an der Vierten Grossen
Kunstausstellung
  in Kassel.

1929–1942

Milly Steger leitet die Bildhauerklasse an der Unterrichtsanstalt des Vereins der Künstlerinnen zu Berlin.

1930–1932

Sie wird Mitglied der Berliner Secession und übernimmt 1932 das Atelier von Georg Kolbe.

Ab 1933

Ihre Ausstellungstätigkeit setzt sich im NS-Regime fort. Sie stellt weiterhin in den Frühjahrs- und Herbstausstellungen der Preußischen Akademie der Künste aus.

1934

Der Lyceum-Club Berlin beauftragt Milly Steger, eine Büste Adolf Hitlers zu erstellen. Sie bittet den Staatskommissar und NS-Täter Hans Hinkel um Unterstützung, Adolf Hitler persönlich treffen zu können. Zu einem Treffen kommt es nicht.

1936

Die Bildhauerin gewinnt im Olympischen Kunstwettbewerb  den vierten Preis. Sie nimmt an der NS-Ausstellung Westfront 1936 – Freie Kunst im neuen Staat in Essen teil.

1937

Bei der Aktion „Entartete Kunst“ werden drei Plastiken, drei Zeichnungen und vier Druckgrafiken aus dem Berliner Kronprinzenpalais, dem Erfurter Museum für Kunst und Heimatgeschichte, der Kunstsammlung der Universität Göttingen, dem Städelschen Kunstinstitut Frankfurt/Main, dem Städtischen Museum Hagen und der Städtischen Kunsthalle Mannheim beschlagnahmt.

Auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München und anderen Städten werden die Werke Milly Stegers nicht gezeigt. Auf der Großen Deutschen Kunstausstellung 1937, der NS-Kunstausstellung, ist sie präsent.

In der Zeitschrift Das Deutsche Mädel  des Bundes Deutscher Mädel in der HJ (Hitler-Jugend) heißt es in einem Artikel über Milly Steger:

… es macht mich stolz, daß die meisten meiner Arbeiten der Deutsche Staat angekauft hat. Das Schönste aber sind die neuen Aufgaben, vor denen die Künstler jetzt stehen. … Und immer ist es die Architektur und die Plastik gewesen, die in Zeiten eines neu erwachenden Kulturwillens vorangegangen sind.

1938

Verleihung des Villa-Romana-Preises des Deutschen Künstlerbundes.

1940

Erneute Teilnahme und Preis beim Olympischen Kunstwettbewerb.

1941 und 1944

Abbildungen ihrer Werke in Ausgaben der Zeitschrift Die Kunst im Deutschen Reich, herausgegeben vom Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP.

Milly Steger, Knieende, Bronze, 1940, Abb. In der Zeitschrift:  
Die Kunst im Deutschen Reich,
hrsg. vom Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, 1944

Zentrum für verfolgte Künste 

Wuppertaler Straße 160
42653 Solingen 
www.verfolgte-kuenste.com
Telefon: +49 212 258 14 18 

Öffnungszeiten: 

Dienstag – Sonntag: 10:00 Uhr – 17:00 Uhr
Eintritt: 9 €, ermäßigt 4,50 €, bis 18 Jahre frei
Das Museum ist teilweise barrierefrei. 

Öffentliche Führungen 

Ab dem 08. Mai finden sonntags wieder öffentliche Führungen statt. Treffpunkt im Foyer des Museums.
11:30 Uhr – Dauerausstellung
14:00 Uhr – Wechselausstellung 

Anreise zum Zentrum für verfolgte Künste: 

Eingabe in ein Navigationssystem: „Dycker Feld“, dort befindet sich der ausgeschilderte Parkplatz des Museums.

ÖPNV:

Ab Bahnhof Wuppertal-Vohwinkel mit der Buslinie 683 zur Haltestelle „Gräfrath“. Von hier aus sehen Sie in 150 Meter Entfernung den markanten Uhrturm des Zentrums für verfolgte Künste im ehemaligen Gräfrather Rathaus.